Schienenfahrzeug SplitGallery Image

S- Bahn Berlin 1985/86

 

Lindinger     Kusserow    Staubach     Weinert

Sechs Jahre vor dem Fall der Mauer gaben es die Ostberliner Reichsbahnen gnervt auf mit ihren S-Bahnzügen ungenutzt das Westberliner Territorium zu queren. Die Westberliner hatten sie boykottiert, parallel zu den Strecken ausgebaute Bus-Strecken erleichterten dies. Westberlin rang sich daraufhin mit Unterstützung des Bundes-ministeriums für Technologie zur Neuentwicklung eigener S-Bahn-Fahrzeuge durch.

LD erhielt den Auftrag für die Gestaltung dieser zunächst aus 40 Wagen bestehenden Serie. Weil sie auf dem Westberliner Territorium wegen des Vier-Mächte-Abkommens nicht von der Deutschen Bundesbahn, der Nachfolgerin der für S-Bahnen zuständigen Deutsche Reichsbahn, betrieben werden durften, sollten die Berliner Verkehrsbetriebe einspringen.  

Um die Akzeptanz in dem vor dem Mauerfall eher innovationsunfreundlichem Berliner Klima zu erleichtern, wählte LD unter den verschiedenen Alternativen für die Front eine, die an die bisherige Frontfensterteilung erinnerte. Doch überraschenderweise gab es weder gegen das neue Äußere oder das im Vergleich zu den damaligen Wagen revolutionäre Innere Widerstand, sondern gegen die neue Außenfarbgebung. Sie löste massive Proteste aus.




Anstelle der traditionellen, für die Designer muffig wirkenden, Farbkombination eines dunklen Rots mit einem Beigebraun und Schwarz schlug LD ein helles leicht rötliches Blaugrau vor mit roten, die Einstiegszonen hervorhebenden senkrechten Strichen an den Türen. Zur leichteren Kommunikation kreierte LD extra den bis dahin unbekannten Begriff „Kristallblau“. Aber die älteren Westberliner, viele BVG- Mitarbeiter, Gewerkschaftsvertreter und die ihnen sehr nahestehende Partei wollten beim Alten bleiben. Im allgemeinen Zeitungskrieg bestach besonders ein Psychologe mit einer angeblich längst vorliegenden wissenschaftlichen Studie, wonach „Kristallblau“ für Waggons völlig ungeeignet sei. Wohlgemerkt ein erst seit drei Wochen existierender Farbname.

Ein Fernsehsender nutzte die Gelegenheit ein gerade angeschafftes, auf spontanen Telefonanrufen beruhendes Umfrage- verfahren mit diesem Thema vorzustellen. Der Berliner Senator für Wirtschaft Verkehr und H. Lindinger erhielten die Chance eines jeweils fünf-minütigen Plädoyers für das neue Fahrzeug und besonders für die neue Aussenfarbe. Doch obwohl dabei schon geäußert wurde, dass man für Neues erfahrungsgemäss spontan keine Mehrheit erhält, votierten von den 42.000 Anrufer in einer halben Stunde 48 % für das Neue. Das hinderte die Politiker jedoch nicht daran den alten Anstrich durch zu setzen.  Hersteller Waggonunion Berlin